Johannes de Erfordia

Franziskaner; Theologe und Kanonist

(um 1250 [oder 1255] – um 1320 [oder 1340/50] in Erfurt)

Schriften in der vatikanischen Bibliothek und in den Stiftsbibliotheken St. Gallen und Solothurn bezeugen Einfluß und Nachwirkung des Denkers und Lehrers Johannes aus dem Erfurter Konvent auf die Entwicklung von Philosophie und Theologie im 13. und frühen 14. Jahrhundert. Nach Eintritt in den Orden der Franziskanerminoriten und einem Klosterstudium lehrte Johannes zunächst 1275 als Lektor vor Ort, dann im Provinzialat der Franziskaner in Magdeburg. Auch 1285 ist er dort als Lektor nachzuweisen, als der er einen Streit zwischen seinen Mitbrüdern und den Kanonikern zu Stendal schlichtete.

1295 studierte er Rechtswissenschaft in Bologna, wo er zum Doktor der Rechte promoviert wurde. Nach Beendigung seiner akademischen Pilgerreise wurde er erneut an das Studium der Franziskaner nach Erfurt berufen. (Es waren die Jahre des Wiederaufbaues des Hohen Chor nach dem Brand von 1291.) Johannes entfaltete eine fruchtbare, hoch anerkannte Lehrtätigkeit. Schon 1307 erhielt er in Thomas von Kyritz einen Nachfolger und wirkte selber als Guardian des Klosters und Vikar der Saxonia, der ausgedehnten sächsischen Franziskanerprovinz. Als dieser hielt er 1307 in Erfurt ein Kapitel ab, auf dem er vermutlich zum Kustos von Thüringen gewählt wurde. Am 7. Oktober 1307schloß er einen Vergleich zwischen dem Franziskanerkonvent und dem Rat von Mühlhausen. Nach dieser Phase des Ordnens und Strukturierens hatte er endlich Zeit für Meditation und wissenschaftliche Arbeit. Vielleicht hatte er sich für diese kanonischen Studien in ein italienisches Kloster zurückgezogen.

Zwischen 1304 und 1312 schrieb er die „Beichtsumme“, die „Summa de poenitentia“, die bereits den 1298 erlassenen „Liber Sextus“ des Papstes Bonifaz VIII. berücksichtigte, ein Handbuch für Beichtväter. Hier bespricht er die sieben Hauptsünden und den Dekalog, aber auch den Ablaß. Bemerkenswert ist die Auseinandersetzung mit dem Gedankengut von Bonaventura, Thomas von Aquin, dem Kanonisten Heinrich von Susa und dem franziskanischen Mitbruder Wilhelm Durantis.

Wahrscheinlich schon 1285, in erweiterter Form 1304, aber vor 1317 hat er dann sein „Tabula iuris canonicé et civilis“ abgefaßt. Diese Rechtskonkordanz behandelte Logistik und Kanonistik und bildet einen der literarischen Ansätze des deutschen gelehrten Rechtsschrifttums. Das theologische Hauptwerk Johannes‘ ist sein um 1300 entstandener Sentenzenkommentar, der lange Zeit aufgrund seiner Beeinflussung durch Bonaventura zu dessen „Abbreviationes“ gezählt wurde. Handschriftlich existieren noch der „Libellius in Britonam“ von 1309, eine Art biblisches Sachbuch und die „Tabula originalium“.

So fern uns heute auch diese Themen und ihre Interpretation liegen – sie gehören zu den Voraussetzungen für das teils konfliktträchtige Eindringen weiterführender theologischer und bald auch (spät)antiker Begriffe und Denksysteme.

(Nach: Merzbacher, Friedrich, Johannes de Erfordia in: Neue Deutsche Biografie 10 (1974), online-Version)

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